Lufthansa Innovation Hub

Investition in eine neue Unternehmens- und Lernkultur

Florian BrücknerBerlin,April 2022 - Der Fokus im Lufthansa Innovation Hub liegt auf der Vermittlung von Kompetenzen und Wissen im Bereich Innovationsmanagement, digitale Produkt- und Serviceentwicklung sowie Team- und Führungstrainings für innovative Arbeitsmethoden. Die Zielgruppen sind hierbei Mitarbeitende sowie Führungskräfte gleichermaßen, für welche unterschiedliche Angebote bereithalten werden. Florian Brückner, Direktor Transformation im Lufthansa Innovation Hub, erklärt: "Neben reinem Methodenwissen sprechen wir auf insbesondere auf Führungskräfteebene stärker über die Voraussetzungen für innovative Organisationen und beschäftigen uns mit Themen der Unternehmenskultur, Führung und Organisationsdesign. Unser Fokus liegt hierbei auf individuellen entwickelten Lernprodukten- und Formaten. Wir verwalten keinen Standard-Trainingskatalog, zum Beispiel zum Thema Agilität, Design Thinking sowie fachliche oder tool-bezogene Schulungen." Florian Brückner spricht am 31. Mai 2022 um 12.15 Uhr im LEARNTEC-Kongress.

Welche Aspekte machen ein Lernökosystem zukunftsfähig?

Florian Brückner: Aus unserer praktischen Erfahrung gibt es verschiedene Aspekte, um ein Lernökosystem nachhaltig und relevant, und damit zukünftsfähig, zu machen:

  • Fokussierung & Mehrwert - Ein Lernökosystem sollte einen klaren Fokus haben, zum Beispiel über einen inhaltlichen Schwerpunkt, und auch die verschiedenen Formate und Kanäle zum Lernen sollten klar differenziert sind. In einer Welt, in der wir von Informationsangeboten überflutet werden, sind klare und einfache Botschaften für Lernende essenziell, sodass für diese der Mehrwert direkt erkenntlich ist und sie das Ökosystem einfach navigieren können.
  • Aktives Management - Ein zukunftsfähiges Lernökosystem benötigt ein aktives und kontinuierliches Management der verschiedenen Lernformate und Communities von Lernenden. Insbesondere offene, kollaborative Lernangebote benötigen viel Begleitung, um einen Austausch zu fördern, was am Anfang oft unterschätzt werden. Ohne diese ist es jedoch schwer ein lebendiges Ökosystem entstehen zu lassen.
  • User Experience - Ein Lernökosystem muss Lernenden eine positive Nutzererfahrung ('user experience') bieten. Heutzutage halten wir alle Technologien von Apple, Google, Netflix & Co. jeden Tag in den Händen. Diese beeinflusst unsere Erwartungen als Nutzer von Lerntechnologien auch im beruflichen Kontext. Die dem Lernökosystem zu Grunde liegende Technologie muss einfach und intuitiv, möglichst personalisiert und idealerweise eingebunden in die regulären Arbeitssysteme sein.
  • Erfahrungsbasiertes Lernen - Ein zukunftsfähiges Lernökosystem sollte Opportunitäten für erfahrungsbasiertes Lernen bieten. Zum Beispiel mit Formaten, um Lernende kollaborativ an eigenen oder relevanten Fragestellungen des Unternehmens arbeiten zu lassen, um Austausch und Relevanz des Lernökosystems zu fördern.
  • Skalierbarkeit und Demokratisierung - Ein Lernökosystem lebt neben angebotenen Lernformaten und Kanälen vom Austausch innerhalb des Ökosystems. Daher ist einerseits ein offener und demokratisierter Zugang ohne Beschränkungen relevant sowie andererseits eine gewissen Größe des Lernökosystems, um diesen Austausch zu fördern.
  • Anstoß zur Kulturveränderung - Lernen in einem kollaborativen Ökosystem erfordert auch eine andere Art der Lernkultur. Letztendlich bestimmt aus meiner Sicht die Zukunftsfähigkeit ebenfalls, inwieweit innerhalb des Lernökosystems Anreize geschaffen werden, um eine kulturelle Veränderung herbeizuführen zu mehr Offenheit, Austausch, Fehlerakzeptanz oder Abbau von Hierarchiedenken.

Worin unterscheidet sich der – auf einem derartigen System – basierende Lernprozess von dem, was wir heute als Lernen kennen und praktizieren?

Florian Brückner: Der Lernprozess wird in einem Lernökosystem in Zukunft von den Lernenden bestimmt mit einer stärkerer Eigenverantwortung. Hierfür müssen diese befähigt hin zu einem Verständnis, welche Lernziele und Inhalte für sie relevant sind und dann die dafür richtigen Angebote erhalten, aus denen sie sich ein für sie passendes Angebot zusammenstellen können.

Wir glauben, dass im Ökosystem-Ansatz oftmals kein in sich abgeschlossenes Curriculum existiert, sondern eine Vielfalt an verschiedenen Angeboten. Die verschiedenen Eindrücke und Erfahrungen aus unterschiedlichen Formaten und die Verbindung verschiedener Inhalte bieten hier den Mehrwert. In einer Welt, wo kontinuierliches Lernen wichtiger ist als je zuvor, ist ein Lernprozess nie abgeschlossen, sondern geht über in den nächsten. Das macht es andererseits schwieriger Lernfortschritte zu verfolgen und die erlernten Kompetenzen zu vergleichen, da diese viel stärker individualisiert sind.

Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen schaffen, um ein solches Lernökosystem sinnvoll einzusetzen und zu nutzen?

Florian Brückner: Unternehmen müssen investieren, um die Voraussetzung für ein holistisches Lernökosystem zu schaffen: Einerseits sind dies Investitionen in die notwendige Infrastruktur und Ressourcen, andererseits ist dies eine Investition in eine neue Unternehmens- und damit Lernkultur.

Kulturell müssen Unternehmen es schaffen, die Lust auf vernetztes Lernen zu stärken und Hemmnisse abzubauen gegenüber neuen Lernformaten und kollaborativem Lernen. Hierzu gehört auch psychologische Sicherheit zu fördern, für Lernformate, in denen Menschen im gegenseitigen Austausch Lernen. Fehlerkultur ist hierbei ein großes Stichwort. Unternehmenskultur ist hierbei die Summe aller individuellen und kollektiven Verhaltensweise jeden Tag. Daher braucht es Vorbilder innerhalb des Unternehmens, die dieses neue Lernen und die Kultur authentisch vorleben auf allen Ebenen des Unternehmens.

Eine weitere Voraussetzung ist das Vertrauen in den Mehrwert eines Lernökosystems für das Unternehmen, um Mitarbeitenden Ressourcen und Zeit zur Verfügung zu stellen für ein vernetztes Lernen in einem solchen Ökosystem. Daher muss Lernen als Fokus stärker in Prozesse eingeflochten werden, um den Raum hierfür zu schaffen - ob auf Team Ebene gefördert durch Team oder individuelle lernfokussierte OKRs oder in formalen Performance Prozessen.

Diese Investition in eine neue Lernkultur kann jedoch auch auf Unternehmensseite nutzbar gemacht werden. Zum Beispiel kann im Rahmen des Lernökosystems die 'crowd intelligence' zur Findung von Lösungen auf unternehmensrelevante Fragestellungen aktiviert werden. Eine Voraussetzung um hierfür die notwendigen Unterstützer zu akquirieren, ist die kontinuierliche Kommutation zum Mehrwert und Notwendigkeit von kontinuierlichem Lernen in Zeiten zunehmender Veränderungen und Digitalisierung.

Bis wann wird Ihres Erachtens "vernetztes Lernen" ein elementarer Baustein unseres Berufslebens werden?

Florian Brückner: Einen Blick in die Glaskugel werfen ist immer schwierig. Ich sehe jedoch zwei Trends, welche das Thema 'vernetztes Lernen' positiv beeinflussen: Die Corona Pandemie hat einerseits fundamental die Art und Weise wie wir arbeiten verändert, hin zu mehr virtuellen und hybriden Interaktionen, und damit auch verändert wie wir Lernen. Andererseits hat die Corona Pandemie zu einer Beschleunigung der Digitalisierung innerhalb Unternehmen von bis zu drei bis sieben Jahren beigetragen. Mitarbeitende nutzen neue Tools zur Vernetzung heute, wie es vor 24 Monaten in wenigen Unternehmen flächendeckend der Fall gewesen ist. Wir haben bei uns im Unternehmen gesehen, wie diese Verlagerung in den virtuellen Raum neue Netzwerke in Unternehmen schafft, da Distanzen und Hierarchien aufgehoben werden.

'Vernetztes Lernen' findet in Ergänzung zu sozialem Lernen statt, indem es entsprechende Strukturen baut, um den Radius des sozialen Lernens zu erweitern - unter anderem durch neue digitale Tools. Das bedeutet, 'vernetztes Lernen' kann und sollte aus meiner Sicht bereits heute für bestimmte Berufsgruppen ein Baustein zum effektiven und effizienten Lernen sein - insbesondere für administrative und kreative Tätigkeiten.

Ich glaube das 'vernetztes Lernen' in den nächsten fünf Jahren ein elementarer Bestandteil unseres Berufslebens sein kann. Unter anderem, da die sich immer schneller ändernde Welt und fortschreitende Digitalisierung uns keine Alternativen zu einem stärkeren 'vernetzten Lernen' gibt, wenn wir mit den Entwicklungen standhalten wollen. Wieviel Fokus und Ressourcen Unternehmen für 'vernetztes Lernen' jedoch bereitstellen, hängt einerseits davon ab den Mehrwert konkret aufzuzeigen und gleichermaßen transparent zu machen, welche Investitionen hierfür auf Seite des Unternehmens- und Mitarbeitenden notwendig sind.